Für eine Vielfalt beruflicher Werdegänge und Lebenswege
LEARNTEC 2025: Interview mit Dr. Kerstin Bäcker zu Inspiring Girls – Female Empowerment durch Role Models
#werdewasduwillst – unter diesem Hashtag bringt der gemeinnützige Verein Inspiring Girls Mädchen im Alter von 10 bis 16 Jahren mit inspirierenden Frauen aus verschiedensten Berufen zusammen und eröffnet ihnen damit neue Perspektiven jenseits von Klischees. Im Interview mit Dr. Kerstin Bäcker, Projektleiterin bei Inspiring Girls, haben wir über Vorbilder und Vielfalt gesprochen, und warum es höchste Zeit ist, Geschlechtergrenzen in der Berufsorientierung zu überwinden.

Was hat Sie persönlich dazu bewegt, sich neben Ihrer Tätigkeit als Anwältin und Partnerin in einer Boutique-Kanzlei für Urheber- und Medienrecht bei Inspiring Girls Deutschland e.V. zu engagieren?
Dr. Kerstin Bäcker: Die Stärkung der Stellung von Mädchen und Frauen in unserer Gesellschaft treibt mich bereits seit vielen Jahren um. Gerade im anwaltlichen Bereich und bei Medienunternehmen finden sich insbesondere auf der Entscheidungs- und Führungsebene viel zu wenige weibliche Stimmen. Als ich von der Arbeit von Inspiring Girls gehört habe, fand ich das eine ganz tolle Initiative, weil sie sehr früh und sehr praxisnah ansetzt, um jungen Mädchen zu zeigen, dass sie alles erreichen können und sich auch in stark männerdominierten Bereichen ihren Platz suchen können – und sollten.
Welche langfristige Wirkung erhoffen Sie sich von der Arbeit von Inspiring Girls in Deutschland?
Dr. Kerstin Bäcker: Die Besonderheit von Inspiring Girls besteht darin, dass wir in Schulen gehen, um im persönlichen Gespräch mit weiblichen Role Models die 10 bis 16-jährigen Mädchen darin zu bestärken, dass ihnen beruflich grundsätzlich alles offenstehen kann, Wege auch einmal nicht geradlinig sein müssen und sie sich nie entmutigen lassen dürfen. Inspiring Girls soll daher junge Mädchen für ihren gesamten Lebens – und Arbeitsweg darin bestärken, an sich zu glauben und für ihre Unabhängigkeit und Selbständigkeit einzustehen. Unser Hashtag #werdewasduwillst spricht dabei für sich. Wir möchten mit dieser Botschaft so viele Mädchen wie möglich erreichen und damit die Gesellschaft Stück für Stück weiter durchdringen.
Welche Hürden oder Vorurteile begegnen Mädchen heute noch, wenn sie sich für einen Beruf in den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften oder Technik interessieren?
Dr. Kerstin Bäcker: Obwohl Mädchen in diesen Berufen keine Seltenheit mehr sind, stoßen sie leider immer noch auf Vorbehalte, dass sie den Herausforderungen in stark männlich geprägten Bereichen nicht gewachsen seien. Dies geschieht hier mangels ausreichender positiver Beispiele und Erfahrungen und damit häufiger als in Berufsbildern, in denen Frauen bereits heute stärker vertreten sind, wie zum Beispiel bei Ärztinnen.
Wie gelingt es dem Verein, Klischees über „typisch männliche“ oder „typisch weibliche“ Berufe aktiv zu hinterfragen und aufzubrechen?
Dr. Kerstin Bäcker: Die Idee besteht darin, Klischees aufzubrechen, indem wir den Mädchen zeigen, dass auch Frauen in männerdominierten Berufen erfolgreich sein können. Weibliche Role Models beweisen den Mädchen, dass Unerschrockenheit, Mut und Ausdauer sich auszahlen und dass ihnen alle Berufe offenstehen. Wir ermutigen sie, an sich zu glauben und sich hohe Ziele zu setzen.
Sie setzen sich für eine Gesellschaft ein, in der Mädchen und Frauen gleichberechtigte und mutige Akteurinnen sind – wie weit sind wir Ihrer Meinung nach auf diesem Weg?
Dr. Kerstin Bäcker: Der Weg ist leider nach wie vor noch ein langer – das zeigt beispielsweise ganz eklatant die aktuelle Besetzung der gewählten Volksvertreter:innen im Deutschen Bundestag, die den Frauenanteil in der Gesellschaft gerade nicht repräsentiert: Nur 32,4 Prozent sind Frauen – der Frauenanteil ist damit sogar um 2,3 Prozentpunkte im Vergleich zu 2021 gesunken.
Was müsste sich in unserem Bildungssystem verändern, um echte Gleichberechtigung bei der Berufsorientierung zu ermöglichen?
Dr. Kerstin Bäcker: Ein ganz elementarer Schritt im Bildungssystem im Allgemeinen wäre zunächst die Sicherstellung einer ausreichenden und flächendeckenden Kinderbetreuung, damit Frauen, wenn sie es wünschen, Vollzeit arbeiten können und nicht mangels ausreichender und finanziell tragbarer Betreuungsmöglichkeiten in die Teilzeitfalle geraten.
Weiter sollte eine verstärkte systematische Integration gendersensibler Berufsorientierung ab der Mittelstufe stattfinden: Lehrkräfte sollten für geschlechtsspezifische Stereotype sensibilisiert und fortgebildet werden, um diese aktiv im Unterricht zu thematisieren und abzubauen. Zudem könnte die Entwicklung und der Einsatz von Unterrichtsmaterialien gefördert werden, die Rollenbilder hinterfragen und vielfältige Berufsbilder jenseits traditioneller Geschlechterzuordnungen aufzeigen. Zuletzt hilfreich wären etwa verpflichtende Praktika in unterschiedlichen Berufsfeldern, um Schüler:innen Einblicke in nicht-geschlechtsstereotype Berufe zu ermöglichen.
Mit unserer Arbeit von Inspiring Girls Deutschland e. V. setzen wir starke und nachhaltige Akzente, um für Mädchen (und auch Jungen) den beruflichen Horizont zu erweitern.
*****
Auf der LEARNTEC hält Dr. Kerstin Bäcker hierzu auch den Vortrag „Präsentation Inspiring Girls“ (8. Mai, 10 Uhr).